Am Dienstagnachmittag klart das Wetter endlich wieder auf, und damit treffen sich die Gospieler auf der Terrasse statt im Restaurant. Wie man es von solchen Treffen wohl erwartet, wird auch Musik gemacht, in diesem Fall aber nicht etwa mit der obligatorischen Klampfe, sondern es gibt irischen und rumänischen Folk auf der Querflöte!
Am Mittwoch ist nicht nur spielfrei, sondern hier in Sibiu ist auch blendendes Wetter. Zwar fehlt es mir an einer Sonnenbrille, aber eine Kappe gegen den Sonnenstich ist heute Pflicht. Das Wetter ist insofern auch günstig, weil sich heute ganze Busladungen auf den Weg zu den Sehenswürdigkeiten machen, so etwa zum Schloss von Graf Dracula. Ich dagegen nutze den Tag zu meiner Lieblingsbeschäftigung in fremden Städten: Pflastertreten.
Zuerst wird natürlich gefrühstückt, dank des Wetters heute wieder draußen vor dem Wohnheim. Grundsätzlich lebt man in Sibiu recht günstig. Im Gegensatz zum letzten Jahr organisiere ich mir dieses Mal mein Essen selbst. Praktischerweise ist ein Billa-Supermarkt direkt um die Ecke, wo man alles bekommt, was man so möchte. Ein Baguette mit Tomaten, dazu Obst, gibt es für weniger als einen Euro. Außerdem gibt es hier auch einen Bäcker, wo es frische Brezeln gibt (sehr lecker!) sowie Kaffee (allerdings keinen frisch gebrühten, sondern Instant – aber Hauptsache heiß). Aber selbst in einer Touristenfalle zahlt man nur fünf oder sechs Euro für eine Kleinigkeit zum Essen und ein Getränk. Im Restaurant (einem ordentlichen Lokal, in dem auch Rumänen essen) bekommt man für das gleiche Geld fast mehr als man essen kann.
Den Vormittag verbringe ich in der Stadt und puzzle mir einen inneren Stadtplan zusammen. Langsam rasten die einzelnen Orte, an denen ich schon war, ein und verbinden sich zu einem einheitlichen Bild. Dabei finde ich natürlich reichlich neue Fotomotive und auch schon bekannte aus neuer Perspektive.
Das Wetter lockt nicht nur gewöhnliche Touristen (und Gospieler), sondern ich treffe auch eine Gruppe Maler, die extra aus Kanada und England angereist sind, um zwei Wochen lang die schönsten Ecken Sibius auf Leinwand festzuhalten. Was ich bisher als Basilika bezeichnet habe, ist allerdings ¨nur¨ eine Kirche (ich muss noch herausfinden, welche genau). Die richtige (orthodoxe) Basilika finde ich zufällig: wir müssen schon tausend Mal daran vorbeigekommen sein, aber sie liegt nun einmal in einer Seitenstraße, direkt gegenüber der theologischen Fakultät.
Mittags mache ich ein wenige Pause am Rande der Stadtmauer. Nebenan werkeln eifrige Schmiede an irgend etwas traditionellem – vermutlich in Einstimmung auf das nächste Festival, das heute Abend mit einem Konzert mittelalterlicher Musik beginnen soll; auf dem Piata Mare steht jedenfalls schon wieder eine neue Bühne.
Nachmittags versuche ich mein Glück im Einkaufszentrum außerhalb der Stadt: ich bin auf der Suche nach einem neuen Objektiv für die Kamera, allerdings scheint hier niemand zu Fotografieren (außer den Touristen natürlich). Stattdessen sieht man endlich einmal die Karpaten. Leider ist es in der Richtung ziemlich dunstig, so dass ich Landschaftsfotos auf nächste Woche verschiebe.
Auf dem Rückweg verschlägt es mich dann (weil ich mehr oder weniger auf gut Glück in einen Bus gestiegen bin) in den Stadtpark, der sich vom Westen der Stadt bis zum Wohnheim zieht. Mit so wiedergewonnener Orientierung schaffe ich es dann auch zurück nach Hause.
Zurück im Wohnheim wird erstmal das Mittagessen nachgeholt (besagtes Baguette mit Tomaten) und weil man hier einen guten Blick auf alle hat, die kommen und gehen, treffe ich meinen Partner Alexandr vom ersten Tag samt Familie.
So ganz spielfrei haben Gospielern natürlich nie: mindestens das 13×13-, aber auch das Veteranen- und das Jugendturnier haben heute stattgefunden. Mangels Anwesenheit kann ich hiervon allerdings keine Fotos anbieten…
Text und Fotos: Sven Walther
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